Isolde Charim
Die Abwehr des Wahlerfolgs der griechischen
Syriza folgte der Argumentation: Linksradikale und Rechtsradikale sind
letztlich gleich. Die Extreme berühren einander nicht nur, sie gehen
ineinander über. Die jubelnde Aufnahme des Syriza-Sieges folgte
demselben Schema: Rechte und Linke, Marine Le Pen und Melenchon,
Linkspartei und AfD, Ukip und Sinn Fein - sie alle äußerten sich
begeistert über den griechischen Wahlausgang.
Und
dann schließt Alexis Tsipras auch noch diese unsägliche Koalition mit
den Rechtspopulisten von Anel - einem Bündnis, das die Links-Rechts-
Gleichung geradezu zu verkörpern scheint. Die "Zeit" attestiert die Bildung einer "Internationale des Dagegen".
Gleichung geradezu zu verkörpern scheint. Die "Zeit" attestiert die Bildung einer "Internationale des Dagegen".
Und
zugleich müssen selbst Kritiker zugestehen: Das waren bittere Jahre für
die Griechen - ein Wirtschaftseinbruch, den "andere Völker sonst nur in
Kriegszeiten erleben", so Raimund Löw. Das Spardiktat war aber nicht
nur hart, es fand auch keine Akzeptanz in der Bevölkerung. Denn die
Austeritätspolitik bedeutete nicht nur Sparen, sondern auch den Rückzug
auf reine Pragmatik, eine "Politik" des Sachzwangs. Aber eine "Politik"
der alternativlosen Notwendigkeit ist keine Politik - selbst in Zeiten,
wo die Sachzwänge erdrückend sein mögen. Politik muss zwischen
Notwendigkeiten und Selbstbestimmungswünschen vermitteln können. Das
kann das technokratische Vorgehen nicht. Deshalb konnte es keine
Akzeptanz herstellen: Die Austeritätspolitik ist gescheitert. Sie wurde
von den Griechen abgewählt.
Im Moment bedeutet die Wahl selbst bereits die erhoffte Alternative. Es wird sich aber erst zeigen, ob diesem Moment wirklich eine andere Politik folgen kann. Die Zeichen dafür stehen nicht gut. Die EU reagiert mit Abwehr. Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis werden wie Feinde behandelt. Denn ein Einvernehmen mit diesem neuen Griechenland würde bedeuten: Europa muss sich verändern. Deshalb hat man es auf deren Scheitern angelegt.
Ja, Syriza ist
vielleicht nicht die Lichtgestalt, die sich die Linke erhofft hat. Weder
die unappetitliche Koalition noch das Blinken Richtung Putin sprechen
dafür. Aber es ist die derzeit einzige politische Kraft, die dem
Austeritätskurs etwas entgegenzusetzen vermag. Selbst Kritiker räumen
ein, dass die Maßnahmen, die sie dabei im Auge haben, durchaus sinnvoll
sind: Kampf gegen Steuerflucht und Korruption, Mindestlöhne,
Versicherungen, Stromversorgung. Dieser Maßnahmenkatalog zeigt nicht
nur, wie grundlegend die Nöte der Griechen bereits sind. Er zeigt auch:
Syriza will keinen sowjetischen Fünf-Jahres-Plan, sondern klassischen
Keynesianismus. Ihr Ziel ist nicht die Diktatur des Proletariats,
sondern ein soziales Griechenland. Sie fordern keine Revolution, sondern
einen "Merkel-Plan" (nach dem Vorbild des Marshall Plans). Wenn das
schon Radikalismus ist, dann muss man sagen: Das politische Spektrum ist
radikal geworden - radikal eng, wenn dafür kein Platz mehr ist.
Den
Strategen der Gleichsetzung aber sei gesagt: Links und rechts sind
weder austauschbar, noch gehören sie zusammen. Es ist etwas anderes,
gegen Austeritätspolitik zu sein als gegen Minderheiten. In ihrer
Abwehrhaltung übersehen sie: Syriza ist nicht die Katastrophe. Aber
sollte Syriza scheitern, dann droht wirklich eine Katastrophe.
Wiener Zeitung 07.02.2015
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