Isolde Charim
Das Kopftuchverbot und seine Ambivalenz
Dem überrumpelten Bildungsminister Heinz
Faßmann verdanken wir das eindeutigste Wort: Das geplante
Kopftuchverbot für Kindergärten und Volksschulen sei eine "symbolische
Maßnahme". Was aber bedeutet das?
Die Zahl der
betroffenen Mädchen ist unbekannt. Man weiß nur, dass es kein
Massenphänomen ist. Aber das Gesetz sei, so Faßmann, "unabhängig von der
Quantität". Es handelt sich also nicht um die Antwort auf ein
gravierendes reales Problem, sondern um die Antwort auf ein gefühltes
Problem. Genau deshalb bewegt es alle. Und genau deshalb ist es
symbolisch.
Die Gefühle, die Bedürfnisse, die solch ein
Kopftuchverbot befriedigt, die sind durchaus ambivalent. Man kann aus
Gründen der Emanzipation gegen das Kopftuch bei kleinen Mädchen sein -
um diese jungen Mädchen zu stärken und zugleich vor dem Zugriff ihrer
religiösen Eltern zu schützen. Man kann aber auch dagegen sein, weil man
für Assimilation, für das Tilgen von fremden Zeichen ist. Interessant
ist, dass diese beiden so unterschiedlichen Beweggründe in derselben
Forderung münden - in einem Kopftuchverbot.
In
beiden Fällen ist die entscheidende Frage: Wofür steht das muslimische
Kopftuch? Was für ein Zeichen ist es? Ein traditionell-religiöses? Die
Uniform der Islamisten? Oder gar ein emanzipatorisches - wie bei jenen
jungen Frauen, die ihr Kopftuch trotzig der Mehrheitsgesellschaft
entgegenhalten? Der Punkt ist - das Kopftuch kann all das sein. Es ist
ein mehrdeutiges, ein ambivalentes Zeichen. Was macht nun die
symbolische Politik des Kopftuchverbots? Sie wählt ein Symbol aus, gegen
das alle sind - wer ist schon für das Verhüllen von kleinen Mädchen?
Der Effekt aber ist: Sie macht ein eindeutiges Zeichen daraus. Sie
stigmatisiert das Kopftuch. Auch für größere Mädchen. Das unterscheidet
Scheinpolitik von symbolischer Politik. Letztere definiert ein Symbol.
Ganz eindeutig. Und in dem Fall ganz negativ.
Teil
dieser symbolischen Strategie ist es auch, das zur Chefsache zu machen.
Warum belässt man die Sache nicht dort, wo sie hingehört - im
Unterrichtsministerium? Warum verkündet das nicht der Bildungsminister,
sondern Kanzler und Vizekanzler? So bekommt das geplante Verbot eine
eminente symbolische Bedeutung - bei gleichzeitigem Rückbau der realen
Fördermaßnahmen. Man signalisiert, "was erlaubt ist und was nicht",
erklärte der solcherart überspielte Faßmann nachträglich - aber man
kürzt die notwendigen Mitteln. Man will gegen Integrationsverweigerung
vorgehen, aber reduziert gleichzeitig die Integrationsmöglichkeiten.
Wenn
die Sorge um die kleinen Mädchen (was ist eigentlich mit den kleinen
Buben? Sind die integrationswilliger?) - wenn die Sorge um diese Mädchen
mit dem Ausleben von Ressentiments in ein und demselben Vorgang
stattfinden kann, dann ist das eine heikle Gratwanderung. Deshalb ist
die geplante Maßnahme auch so ambivalent: Sie kann ebenso sehr "Schikane
einer Minderheit" wie "Angebot zur (Selbst-)Hilfe" sein, wie Walter
Hämmerle schrieb.
Wenn das Verbot aber die
Förderung ersetzt, wenn symbolische Politik an die Stelle von
Integrationspolitik tritt - dann kippt die Ambivalenz dieser Maßnahme.
In die Eindeutigkeit.
Wiener Zeitung, 6.5.
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