Auch jetzt, wo sie an der Macht ist,
würde die FPÖ weiterhin agitieren statt regieren, so der "Kurier" in
seinem spektakulären "Weckruf". Für die FPÖ ist das aber kein Gegensatz,
sondern vielmehr eine Definition: Regieren durch agitieren.
Dass
es ums Umfärben, um einen Austausch der Eliten geht, wurde spätestens
bei den ÖBB klar. Aber seit HC Straches "Satire" gegen Armin Wolf (war
Satire nicht einmal ein Medium gegen die Mächtigen?) ist deutlich, dass
es um mehr geht als ums Umfärben.
Strache unterstellt, der ORF würde gezielt
falsch informieren - und der grobe Fehler des ORF beim Bericht vom
Wahlkampf in Tirol war da Öl für sein Feuer. Aber Strache wirft dem ORF
nicht Stümperhaftigkeit vor. Er unterstellt vielmehr gezielte Steuerung.
In seiner medialen Verschwörungstheorie ist der ORF nicht wirklich
öffentlich, sondern vielmehr ein Täuschungsmanöver der alten Eliten.
Eine Hochburg, ein verbliebenes Machtkartell der SPÖ.
Demokratie
funktioniert wesentlich durch Öffentlichkeit, also durch eine Vielzahl
von Meinungen, die sich artikulieren können. Diese Öffentlichkeit ist
das Rückgrat der Demokratie. Insofern ist Straches Feldzug gegen den ORF
ein erstaunliches Vorgehen für einen Vizekanzler. Denn mit seiner
Kampagne, mit seinen Unterstellungen, mit seiner pauschalen
Diskreditierung des Senders trägt er massiv dazu bei, das Vertrauen in
das gesamte politische System zu untergraben. Das ist erstaunlich für
einen Amtsinhaber dieser Republik.
Es ist nur dann
nicht erstaunlich, wenn es ihm darum geht, diese Republik nicht nur
umzufärben, sondern umzubauen. Für diesen Umbau ist die Umstrukturierung
der Öffentlichkeit zentral. Umstrukturierung bedeutet: Stimme des
Volkes statt Meinungspluralismus. Direkte Authentizität statt
Mechanismen der Vielfalt. Vorgeführt wurde das gerade dieser Tage durch
jene ÖVP Staatssekretärin, die anhand von Facebook-Postings agiert.
Diesen Postings wurde der Part des Echten, der Stimme des Volkes
zugesprochen. Es ist also der Umbau der Öffentlichkeit hin zu einer
Suböffentlichkeit. Vorexerziert von Strache auf Facebook und im FPÖ-TV.
Eine "mediale Parallelwelt" hat Jan Michael Marchart das genannt.
Doppelt parallel - parallel zur realen Welt und zur realen Medienwelt.
Dieser
Umbau greift aber fundamentale Mechanismen an. Denn Öffentlichkeit als
das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Meinungen bedeutet: Jede
Meinung kann und muss neben anderen bestehen - das macht sie ja erst zu
Meinungen. Das aber heißt: Jede Meinung kann durch eine andere
eingeschränkt werden. In diesem Sinn muss man sagen: Demokratie lebt von
Einschränkung. So wie auch das System von "checks and balances" eine
Einschränkung jeder Macht bedeutet.
Populisten an
der Macht zielen aber auf das Gegenteil: Sie wollen die öffentliche
Meinung kontrollieren. Anders gesagt: Sie wollen ihre Meinung nicht mehr
einschränken lassen. Kontrolle statt Einschränkung lautet die Formel.
Bei
seiner Aschermittwochrede wurde Strache explizit. Er sagt über die
Regierung: "Gegenseitiger Respekt wird gelebt. Wir setzen uns auf Dauer
überall durch." Das ist der Respekt, den sie meinen. Was sagt eigentlich
die ÖVP dazu?
Isolde Charim
Wiener Zeitung 16.2.2018
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