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Mittwoch, 28. Juni 2017

Aus den Fugen



Claus Offe

Die Widersprüche des Sozialen


Die Problemdiagnosen sind bemerkenswert konvergent. Das gilt nicht für die aus der Diagnose folgenden Therapievorschläge. Die Diagnose besteht aus drei Teilbeobachtungen:
1. In Deutschland funktioniert der Arbeitsmarkt nicht. Es gibt seit der Mitte der 70er Jahre und mit zunehmender Tendenz viele Millionen von Personen, die eine dauerhafte und vollzeitige Beschäftigung suchen (die ja nach wie vor als Modell einer normalen und gelungenen Lebensführung gilt), aber eine solche Beschäftigung nicht finden. Zu ihnen gehören nicht nur die (a) als „arbeitslos“ Registrierten, sondern (b) auch diejenigen, die wegen Struktur und Niveau der Nachfrage nach Arbeit auf irreguläre oder subnormale Arten der Erwerbstätigkeit abgedrängt worden sind oder sich in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik befinden, wie schließlich (c) die „entmutigten“ Angehörigen der sog. „Stillen Reserve“. Ursachen für dieses Ungleichgewicht sind sowohl auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes (wachsender Zustrom von Arbeitssuchenden gerade bei prekären Beschäftigungschancen) wie auf der Nachfrageseite (technischer, organisatorischer und ökonomischer Wandel, Standortverschiebungen) zu finden.
2. Die demographische Balance ist aus den Fugen geraten; deswegen ist die Leistungsfähigkeit der Alterssicherungssysteme gefährdet. Kinder und Kinderaufzucht gelten bei der individuellen Lebensplanung als gravierende Hindernisse der (vollzeitigen) Erwerbsbeteiligung des (meist weiblichen) Elternteils. Man kann auch sagen: Familie und traditionale geschlechtliche Arbeitsteilung haben ihren Charakter als eine selbstverständliche Lebensform wohl irreversibel verloren, ohne dass das gewandelte Modell der weiblichen Lebensführung  von einem gewandelten Selbstverständnis der Männer/Väter begleitet worden wäre. Die Frauen werden im Muster ihrer Lebensplanung „männlich“, nicht aber die Männer in gleichem Umfang „weiblich“. Damit verliert die Lebensform des Familienhaushaltes ihre Funktion als Rückhalte- und Staubecken für den Zustrom von Arbeitskraft auf den Arbeitsmarkt; damit entfällt auch die Funktion des Familienhaushaltes als einer Mikro-Agentur sozialer Dienstleistungen.
Dadurch wird (a) das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt durch Ausweitung des Angebots verschärft. Es kommt (b) hinzu, dass die nach dem Umlagesystem und sog. „Generationenvertrag“ vorgestellte Alterssicherung unstabil wird: Es fehlt an Beschäftigten der mittleren Generation, die aus ihren Erwerbseinkommen die (der Höhe nach) fixierten und versprochenen Alterseinkommen der älteren Generation bezahlen können, wenn nicht die Beiträge als Lohnnebenkosten in einer beschäftigungsschädlichen Weise heraufgesetzt werden sollen. Mangels fiskalischer Spielräume kann die demographische Deckungslücke trotz „Ökosteuer“ nicht aus allgemeinen Steuermitteln geschlossen werden. Die Alternativen für die Alterssicherungspolitik sind (i) Absenkung der Ansprüche oder/und (ii) die Einführung einer partiellen Kapitaldeckungsfundierung. Schließlich kommt (c) hinzu, daß die demographische Disproportion mittelfristig zu einem Mangel an Arbeitskräften führen kann, der durch Migration auszugleichen sein wird.
3. Nicht nur die Familie verliert an prägender Kraft für die individuelle Lebensführung, sondern auch der Nationalstaat an Gestaltungsmacht für die kollektive. Europäische Integration und „Globalisierung“ lösen durch außenwirtschaftliche Liberalisierung des Verkehrs von Kapital und Waren, in weit geringerem Maße auch durch Mobilität von Arbeitskräften einen Standortwettbewerb aus, dem die Nationalstaaten nur durch Senkung der fiskalischen und Beitragslasten standhalten können, die sie den Investoren aufbürden. Insbesondere ist in „offenen“ Ökonomien, die (noch) nicht in ein effektives supranationales System wirtschafts- und sozialpolitischen Regierungshandelns eingebunden sind, sondern in EU-Europa nur dem Stabilitätsregime der EZB unterstehen, der Rückgriff auf kreditfinanzierte („keynesianische“) Strategien der Beschäftigungssteigerung so gut wie ausgeschlossen. Infolgedessen üben sich politische Eliten nahezu jeder parteipolitischen Farbe in der Kunst des Gestaltungsverzichts und der Zuständigkeitsabwälzung – sei es in der Version von George W. Bush, der die Wähler pauschal vor den Politikern und ihrer fiskalischen Unersättlichkeit warnt, sei es in der Version der europäischen Sozialdemokraten, die sich nur mehr als Moderatoren gesellschaftlicher Bündnisse („für Arbeit“ etc.) oder als Animateure verstehen, die Bürger in problematischen Lebenslagen zu „aktivieren“ versuchen.
Der Begriff der „Modernisierung“ bedeutet in den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen, über die wir hier sprechen, immer zweierlei: einerseits die Steigerung von Naturbeherrschung, Produktivität und Reichtum, andererseits (als die Kehrseite dieser Medaille) Unsicherheit, Risiko, und die wachsende Wahrscheinlichkeit bedrohlicher und schwer kontrollierbarer Überraschungen. Ein stabiler Modernisierungsprozeß setzt deshalb voraus, daß nicht nur der technische und ökonomische Wandel vorangetrieben wird, sondern es zugleich gelingt, Risiken zu kompensieren und dadurch einen Rahmen an Sicherheit zu schaffen, der die bedrohlichen Auswirkungen der wirtschaftlichen Modernisierung erst zumutbar und aushaltbar macht. Dazu gehören die Institutionen der sozialen Sicherung im weitesten Sinne: Arbeitsschutz, betriebliche Mitbestimmung, gewerkschaftliche Interessenvertretung mit Tarifautonomie, Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes durch Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik, und der Schutz gegen die typischen Arbeitnehmerrisiken durch entsprechende Sozialversicherungssysteme.  Die Stärke der kontinentaleuropäischen Industriegesellschaften bestand ja darin, daß sie – nach dem Modell einer „sozialen“ Marktwirtschaft – immer in der Lage waren, die zerstörerischen Auswirkungen der ökonomischen Entwicklung zu zähmen und durch soziale Sicherungen abzupuffern. Nur dann, wenn diese vielfältigen Schutzvorkehrungen intakt sind und bleiben, kann die laufende wirtschaftliche „Zerstörung“ überholter und unterproduktiver Verfahren und Institutionen als eine „schöpferische“ Zerstörung (Schumpeter) guten Gewissens begrüßt und von den Betroffenen dieser Zerstörung klaglos ausgehalten werden.
Der „Widerspruch des Sozialen“ besteht aus meiner Sicht heute genau darin, daß die genannten wohlfahrtsstaatlichen Methoden der Kompensation von Unsicherheit selbst „unsicher“ geworden sind. Wir haben es mit einer Unsicherheit zweiter Ordnung zu tun, der Unsicherheit der sozialen Sicherung. Das Festhalten an den herkömmlichen Methoden der Risikoabwehr sind selbst riskant geworden oder wird zum Ausgangspunkt neuer Arten von Risiken. Die in den eineinhalb Jahrhunderten industriell-kapitalistischer Entwicklung aufgebauten Bestände an Sicherheit, Verläßlichkeit, Marktkorrektur, Marktbeschränkung („Dekommodifizierung“) stehen im Begriff, auf Gedeih und Verderb dem letztinstanzlichen Urteil ihrer marktlichen Bewährung ausgesetzt und vom Marktgeschehen als obsolet und ineffizient verurteilt zu werden. Funktionale Äquivalente, die den Sicherheitsbedarf  auf neue Weise decken könnten, stehen (noch) nicht zur Verfügung.
Ich denke, man verharmlost diese vor unseren Augen ablaufende Dynamik, wenn man, wie ich es aus den Thesen von Herrn Hengsbach und Frau Engelen-Kefer herauslese, sich die Verunsicherung der sozialen Sicherheitsarrangements bloß als Resultat neoliberaler Stimmungsmache, „Phantomdebatten“ und der orthodoxen Propaganda von Deregulierungseuphorikern erklärt. Die Frage ist doch, weshalb die erfolgreichen politischen Vorstöße dieser Provenienz auf einen augenscheinlich so fruchtbaren Boden fallen können. Als eine mögliche Antwort auf diese Frage möchte ich die These zur Diskussion stellen, daß die sozialmoralische Grundlage der genannten Arrangements sozialer Sicherung, also das Ethos der Solidarität Schaden genommen hat. Die solidarische Opferbereitschaft (zumindest) für die Angehörigen der eigenen nationalstaatlich verfaßten Gesellschaft war und ist die Voraussetzung dafür, daß die genannten marktbeschränkenden und das Marktgeschehen kompensierenden Institutionen ihre Robustheit bewahren. Man kann es bedauern, aber nicht wirklich bestreiten, daß die Forderung, den Sozialstaat zu demolieren, sogar bei großen Teilen seiner potentiellen Nutznießer Beifall und Unterstützung genießt. Darin manifestiert sich der „Widerspruch des Sozialen“ auf politischer Ebene. Die Neoliberalen können sich ja mit einem gewissen Recht darauf berufen, daß die Forderung nach „Eigenverantwortung“, die materielle Bestrafung der „Versager“ und angeblichen Sozialschmarotzer, die Popularität von Vorschlägen, anderer Leute Gürtel enger zu schnallen – mit einem Wort: die Solidaritätsverweigerung sich großen und eher noch zunehmenden Anklanges erfreut. Der „Hauptwiderspruch“ der kapitalistisch-industriegesellschaftlichen Modernisierung, der zwischen den Inhabern von Investitions- und Beschäftigungshoheit und den von ihnen Abhängigen, scheint verflogen, ohne einer politisch-institutionellen Bearbeitung noch zu bedürfen. Man könnte auch sagen: Der Hauptwiderspruch besteht darin, daß es nur noch Nebenwidersprüche gibt. Diese postmoderne soziale Sorglosigkeit ist zumindest nicht allein auf das Bedürfnis politischer Eliten zurückzuführen, auf keinen Fall über ihre fiskalischen Verhältnisse zu leben und keine Versprechungen zu machen, die sich haushaltspolitisch nicht einhalten lassen („blame avoidance„). Eher noch ist er auf die massenwirksamen Suggestionen einer Situation zurückzuführen, in der nationalstaatliche Grenzen und Zugehörigkeitsdefinitionen verwittern, die Aufmerksamkeit sich auf den gleichermaßen bedrohlichen Abfluß von Kapital und den Zustrom unerwünschter Arbeitskräfte richtet, die kollektiven Nöte von Kriegs- und Nachkriegszeiten im Nebel der Vergangenheit versunken sind und auch – nach dem Ende des Kalten Krieges – die Front des „Systemgegensatzes“ nicht mehr besteht, an der vormals vorbeugende und loyalitätsbindende sozialpolitische Anstrengungen geboten erschienen.
Wie dem auch sei: Nachdem sich zumindest in Deutschland die Situation zu einem Dauerzustand verfestigt hat, daß unsere Ökonomie für etwa ein Fünftel der potentiell Erwerbstätigen und ihre Fähigkeit, nützliche Tätigkeiten auszuüben, schlicht keine Verwendung hat, werden drei Möglichkeiten der Abhilfe angeboten. Die Therapien lauten in äußerster Verkürzung: (a) Arbeitskosten runter! (b) Arbeitsqualifikation und -motivation rauf! Und (c) das „Überangebot“ an Arbeitskraft raus (aus dem Arbeitsmarkt)! Insgesamt laufen diese Therapien auf die von Herrn Walter so eindringlich empfohlene Forderung nach mehr „Flexibilität“ hinaus. Nur wenig überspitzend lassen sich seine Empfehlungen dahingehend zusammenfassen:  das Problem der Sicherheit muß in der Weise gelöst werden, daß die Leute eben auf öffentlich verbürgte Sicherheit verzichten bzw. sich aus eigener Kraft sichern. Sie müssen sich angewöhnen, mit weniger Einkommen auszukommen, in einem anderen als dem erlernten Beruf tätig zu werden, auf Abruf den Betrieb und Wohnort zu wechseln, von Vollzeit- in Teilzeitarbeit umgesetzt zu werden und hin und wieder auch einmal von Werkaufträgen zu leben; v. a. auch für die Kosten ihrer Qualifikation selbst aufzukommen und sich insgesamt durch die Kürzung öffentlicher Sicherungsleistungen „aktivieren“ zu lassen. Die Menschen, so lautet die Auskunft, müssen ein „unternehmerisches“ Verhältnis zu sich selbst und der eigenen Arbeitskraft entwickeln. Das bedeutet: sie müssen ihm Hinblick auf mögliche zukünftige Vorteile durchaus reale gegenwärtige Nachteile in Kauf zu nehmen bereit sein, ohne daß die Wahrscheinlichkeit des Erfolges noch die Erträglichkeit der Nachteile von irgendeiner dritten Seite verbürgt werden könnten.
Was angesichts solcher Vorschläge strittig ist, dürfte weniger der Grundsatz der „Eigenverantwortung“ sein und auch nicht die Vorstellung, daß es in manchen Bereichen unseres Sozialsystem durchaus Besitzstände gibt, die als kostspielige Überversorgung und als Schwächung der Bereitschaft zur Übernahme wirtschaftlicher Verantwortung  kritisiert werden können. Schlecht begründet erscheint mir vielmehr die moralisierende Vorstellung, es bedürfe nur der entschlossenen Anstrengung, um eigenverantwortlich zum Erfolg zu kommen. Flexibilität ist indes nicht allein eine Sache des guten Willens, sondern auch der Hilfestellungen und Sicherheitsangebote, die man benötigt, um sich Flexibilität überhaupt leisten zu können. Gerade die Verlierer der Arbeits- und Erwerbsgesellschaft können sich aber das Risiko, daß sie trotz aller Flexibilität nicht zum Erfolg kommen, am allerwenigsten leisten. Ich würde von den Protagonisten der Flexibilität gern mehr darüber erfahren, an welche Sicherheitsvorkehrungen und Risikominderungen für den Fall gedacht ist, daß die Individuen mit Flexibilitätszumutungen konfrontiert sind, die sie aus subjektiven oder auch objektiven Gründen nicht auf sich zu nehmen in der Lage sind.
Die vermeintliche Normalität der Erwerbsarbeit – also die vertragliche, betriebliche, berufliche, tariflich und gesetzlich geschützte, vollzeitige, lebenslängliche und v. a. monetär entgoltene Arbeit, die dazu noch in einen familiären Kontext des männlichen Alleinverdieners eingebettet ist – wird zunehmend zum unerreichbaren und zunehmend auch nicht mehr angestrebten Ideal der individuellen Lebensführung. Unterhalb dieser rasch abhanden kommenden „Normalität“ wachsen die weitaus weniger gut gesicherten Arbeitsverhältnisse, die auf Schattenwirtschaft, unfreiwilliger Teilzeitarbeit, Leiharbeit, Zeitarbeit, Werkverträgen, Scheinselbständigkeit, Telearbeit, Geringfügigkeit, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, illegaler Beschäftigung und anderen abweichenden Formen beruhen. Und als dritte Gruppe gibt es diejenigen, die von der Erwerbstätigkeit dispensiert oder ausgeschlossen sind, jedoch zum großen Teil durchaus nützliche, nur nicht erwerbswirtschaftlich organisierte Tätigkeiten erbringen: die Kinder und Alten, die aufgrund von Schwangerschaft und Elternschaft Beurlaubten, die Wehrdienst Leistenden, Strafgefangenen, Asylanten und Kranken, auch die entmutigten Arbeitslosen in der sog. „stillen Reserve“.
Die Frage lautet: Wie läßt sich jenes Maß an Sicherheit wiederherstellen, daß man benötigt, um sich aus eigener Kraft und unter Aufbietung einer zumutbaren Anstrengung an Flexibilität an die veränderten Bedingungen des Erwerbslebens anpassen zu können?  Wer kann für sich die Autorität in Anspruch nehmen, anderen vorzuschreiben, welche Anpassungsleistungen sie zu vollbringen haben, ohne zugleich die Grenzen deutlich zu markieren, über die hinaus es dann als unzumutbar gelten darf, sich den Flexibilitätsgeboten des Marktes zu fügen? Denn Flexibilität können sich diejenigen, die durch Vermögen und soziale Statusrechte abgesichert sind, viel schmerzfreier leisten als diejenigen, die ohne derartige Rückhalte dem Geschehen an Arbeits-, Güter- und Wohnungsmarkt ausgesetzt sind. Was auch Wirtschaftswissenschaftler wissen könnten und als eine soziale Tatsache einkalkulieren sollten, ist dies: Prekäre soziale Lagen, wie sie sich aus Beschäftigungsunsicherheit und Einkommensarmut ergeben, motivieren keineswegs automatisch zu mehr Flexibilität, Aktivität und Anpassungsbereitschaft; vielmehr führen sie jenseits einer bestimmen Schmerzgrenze zu Fatalismus, Resignation, Lernunwilligkeit und Marginalisierung. Spätestens an dieser Schmerzgrenze muß die Gewährung einer Sicherheit einsetzen, die es den Menschen erst erlaubt, die Ungewißheiten der vom Markt geforderten Flexibilität auf sich zu nehmen. Gerade diejenigen, die den Modeausdruck „Wissensgesellschaft“ als einer passende Charakterisierung unserer aktuellen Gesellschaftsverhältnisse feilbieten, können sich der Einsicht nicht verschließen, daß es Menschen gibt, denen der eifrige Erwerb und die beständige Anpassung marktbewerteten Wissens nicht nur nicht zum ersten Lebensbedürfnis geworden ist, sondern die vor den entsprechenden Anforderungen eklatant versagen.
Der deutsche Wohlfahrtsstaat krankt an dem Konstruktionsfehler, daß soziale Sicherheit an die Eigenschaft des „Normal-Arbeitnehmers“,  nachrangig auch an die der „Armut“ geknüpft ist – nicht aber an die des „Bürgers“. Wenn alle Bürger einen Anspruch auf eine minimale (steuer- statt beitragsfinanzierte) soziale Grundsicherung hätten, dann wäre die Forderung nach mehr Flexibilität moralisch überzeugender. Die konsequenteste Ausgestaltung eines solchen sozialen Bürgerrechts (statt Arbeitnehmerrechts) bestünde in einem an irgendwelche weiteren Bedingungen nicht geknüpften, eben bürgerrechtlichen Anspruch auf ein Grundeinkommen. Als Annäherung an ein solches Grundeinkommen kann man sich auch ein jedem Bürger zustehendes „Sabbath-Konto“ vorstellen, das jeder Person die Option garantiert, für – sagen wir – maximal 10 Jahre seines erwachsenen Lebens auf Erwerbstätigkeit zu verzichten und sich auf einem bescheiden, aber ausreichend gesicherten materiellen Lebensniveau anderen, von ihr oder ihm als notwendig und nützlich erachteten Tätigkeiten zuzuwenden, z. B. (aber keineswegs ausschließlich) der Tätigkeit in Familien. Das hätte den erwünschten Nebeneffekt, die Warteschlange der Jobsuchenden auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes kürzer werden zu lassen. Und die Bürger würden die Freiheit gewinnen, außerhalb des Erwerbslebens und in dafür geeigneten Tätigkeitszusammenhängen (des sog. „dritten Sektors“) sich jenen „kulturellen und sozialen Dienstleistungen“ (Hengsbach) zu widmen, die sich ohnehin kaum als bezahlte Erwerbsarbeit organisieren und v. a. finanzieren lassen. Eine auf solchen bürgerrechtlichen Prinzipien aufbauende Umgestaltung der Sozialpolitik wäre die adäquate Antwort auf  die Pathologie einer Arbeitsgesellschaft, deren zentrale Institution, der Arbeitsmarkt, immer mehr Menschen in ihren Bann zieht, aber einen stetig abnehmenden Anteil von ihnen als „normale“ Arbeitnehmer aufnimmt.
Claus Offe ist emeritierter Professor für politische Soziologie an der Hertie School of Governance und wird beim Sommerlabor von 14.-16. Juli 2017 referieren.  Er war Professor für Politikwissenschaften und Politische Soziologie an den Universitäten Bielefeld (1975-1989) und Bremen (1989-1995) sowie an der Humboldt-Universität zu Berlin (1995-2005). Er war als Gastprofessor unter anderem an den Institutes for Advanced Study in Stanford und Princeton, der Australian National University, der Harvard University, der University of California, Berkeley und der New School in New York tätig. Er promovierte an der Universität Frankfurt und erhielt seine Habilitation an der Universität Konstanz. 2016 veröffentlichte er „Europa in der Falle“ über die Krise in der Eurozone und das Krisenmanagement.

Mittwoch, 4. März 2015

Angst machen

Marlene Streeruwitz

Die Angstmacher, in: Album, DER STANDARD, 28.2./1.3.2015

Angst ist das große Zauberwort der Bewältigung von vielem in Österreich. "Ich habe Angst" ist zu einer Selbstermächtigungsformel im Politischen geworden
Österreich ist im Umbruch. Die Finanzkrise hat sich an die geschönte Oberfläche vorgearbeitet und wirkt sich aus. Und unübersehbar so. Noch helfen die Übungen in kollektivem Wegschauen. Noch sind die betroffenen und eigentlich schon abgestiegenen Gruppen stumm. Noch glauben viele, an ihrem ökonomischen Schicksal selbst schuld zu sein. Noch herrscht der Glaube, aus eigenen Kräften aus den Miseren ent kommen zu können. Verblendung. Verdrängung. Kopf in den Sand. Langweilig würde einer da nicht.
Aber. Es ist langweilig, auf welche Verfahren der Bewältigung zurückgegriffen wird. Denn. Wie schon immer. Oder wie zumindest in den letzten 400 Jahren werden die ökonomischen Probleme nicht offengelegt. Wie in den letzten 400 Jahren versuchen alle politischen Strömungen die problematische Situation für die eigenen Interessen auszubeuten. Kein einziger Politiker denkt daran, staatsmännisch zu handeln. Das hieße nämlich diesen Staat ernst zu nehmen und Maßnahmen zu dessen Stabilisierung, zum Erhalt der Demokratie, der Grundrechte und zum Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger zu setzen.
Kein Politiker in unserem Land denkt in solchen Kategorien. Das Gewurschtel zur Steuerreform beschreibt diese Denkweise. Es sollen Strukturreformen erschwindelt werden, die die Privilegierungen der jeweiligen Klienten erhalten helfen sollen. Ein Ganzes und wie das funktionieren sollte, das können hier nur alle entwerfen, die nicht demokratisch oder antidemokratisch denken. Eine funktionierende Demokratie. Eine solche Vorstellung bleibt Fernsehmoderatoren zur wirkungslosen Übung überlassen. Es ist schön, wenn Bürgerforen in allem Pathos dann aber gleich noch einmal mehr die Politik aus der Politik vertreiben.
Krisenverwaltungspolitik
Da und in allen Diskussionen. Es wird nicht politisch geredet. Denn. Politik müsste Rettung bringen. Und wie im Umgang mit dem Umweltskandal im Görtschitztal. Niemand übernimmt die Verantwortung. Niemand übernimmt eine Führungsrolle. Niemand klagt wirklich an. Niemand reagiert in aller Schärfe. Niemand benutzt alle Rechtsmittel, die Geschädigten in eine bessere Lage zu bringen. Und. Die Strategie geht ja auf. Das Görtschitztal ist vergessen, weil es ja niemanden gegeben hat. Wenn die Mächtigen nicht auftreten, kann es auch keine Ohnmächtigen geben. Dieser Logik folgt auch die jetzige Krisenverwaltungspolitik.
Und. In schöner und überhaupt nicht demokratischer Manier wird in die politische Therapiekiste gegriffen. Unter den Regierungen Schüssel wurde dieser internationale Trend des therapeutischen Redens in die Politik in Österreich eingeführt. Dieser Therapietalk in der Politik – der sehr oft mit politischer Korrektheit verwechselt wird – hat es so weit gebracht, dass wirklich fast alle gerne über ihre Ängste sprechen.
Angst ist das große Zauberwort der Bewältigung. "Ich habe Angst" ist zu einer Selbstermächtigungsformel im Politischen geworden, in der es wieder einmal darum geht, Eigenschaften zu definieren, unter denen alle Angstmacher zu einer Gruppe zusammengefasst werden können.
"Ich habe Angst" erlaubt, mit einem Wort solche Gruppen von angstmachenden Personen erfassbar zu machen. Die Angst braucht eine kurze Formel. Es muss ja ein Schrei werden. Die Angst erlaubt keine Differenzierungen. Und Angst. Das verstehen dann auch gleich alle mit allem Verständnis. Eine Person behauptet Angst und die Politik, die horcht hin. Die nimmt ernst. Die fragt sich, wie sie damit umgehen soll. Die Politik – jeder auf seine Art – will höchst einlässlich zur Angstlosigkeit verhelfen und stürzt sich in eine Anlassgesetzgebung, die wirr aussieht, aber am Ende die Grundrechte ausgesetzt haben wird.
"Angst vor dem Terror", "Angst vor sinkenden Preisen", "Keine Angst vor Barça." Angst ist ein ungerichtetes Gefühl. Ein ungerichteter Zustand. Es müsste heißen "Furcht vor dem Terror", "Furcht vor sinkenden Preisen", "Keine Furcht vor Barça". Während Angst eine allgemeine Gefühlslage bedeutet, die den Impuls zur Flucht auslösen soll, ist die Furcht das Unbehagen, das auf bestimmte Erscheinungen bezogen auftritt.
Aber. Wie würde das aussehen. "Ich fürchte mich vor dem Terror." Das klänge ehrlich. Und. Seien wir ehrlich. Die Leutnant Gustl-Erbschaft erlaubt uns nur die Verwendung des Worts "furchtlos". Fürchten. Das dürfen sich nur Kinder vor dem Krampus.
Auf der anderen Seite sind wir in unseren österreichischen Deutschstunden in Romantik und Deutschem Idealismus unterrichtet worden und greifen deshalb im hohen Ton zu den abstrakteren Begriffen. Zur objektunbezogenen und damit ungerichteten Angst.
Die Angst ist mittlerweile statistisch durchgerechnet. Die Angstmacher statistisch darin fest genagelt, wie vielen Prozent der Befragten sie Angst machen. Angstskalen werden aufgestellt. Die Angstmacher kategorisiert. In den Statistiken müssen die Angstmacher einmal mehr mit einem Wort erfassbar sein. Terroristen. Islamisten. Migranten. Verschleierte. Asylanten. Die Angst wird zum Medium der Benennung. Die Angst ist zugleich das Medium der Deutung dieser Benennungen. Diese Benennungen sind nur innerhalb der Angst zu ent schlüsseln.
Diese Worte wie eben Terrorist, Islamist, Migrant, Verschleierte, Asylant. Sie werden genauso verwendet wie Verwandtschafts bezeichnungen und simulieren damit, anthropologische Invariante zu sein. Das macht die Verwendung dieser Worte so einfach und wirkungsvoll.
Schwiegermutterwitz
Wie die Worte Vater, Mutter, Eltern, Onkel, Schwiegermutter, Familie. In jedem Wort ist jeweils ein gesamter Kosmos an Bedeutungen enthalten. Diese Bedeutungen sind allen Mitgliedern der Sprachgruppe gegenwärtig und in einem Fühldenken sofort verfügbar. Jeder und jede weiß, was es bedeutet, wenn in Criminal Minds ein Vater Selbstjustiz üben will oder einer der Polizisten in der Täterin eine Ähnlichkeit mit seiner Mutter findet. Wir wissen auch immer gleich, warum ein Schwieger mutterwitz nicht komisch ist, aber wir wissen aus diesen Witzen sehr viel über die Exogamie in unserer Kultur.
Aus der Geschichte wissen wir wiederum, dass solche Worte in ihrer Bedeutung sehr verschieden aufgeladen und vollkommen verändert werden können.
Waren die Verwandtschaftsnamen der Kernfamilie für die christlichen Religionen gottgegebene Strukturierung, damit heilig und die göttliche Hierarchie beschreibend, so konnten die Nationalsozialisten diese Hierarchie sprengen und die Kinder von der Loyalität den Eltern gegenüber freistellen. Unter denselben Bezeichnungen waren die Kinder nun nicht mehr die Kinder ihrer Eltern, sondern dem Führer verpflichtet. Das geschah durch Überspringen der vorhandenen Elterngeneration und die Übernahme des ödipalen Widerstands der Kinder in den Jugendorganisationen des nationalsozialistischen Massenstaats. Die in den Massenorganisationen verwaltete Jugend hatte den Führer zum Vater. Darin waren dann alle Geschwister. Sex und Fortpflanzung beruhten in den so erfassten Generationen auf einem Geschwisterinzest, auf dem die Augen des Führers wohlwollend ruhten. Die Auswirkungen dieser spezifischen Konstruktion der Heteronormativität müssen in ihrer Bedeutung sehr ernst genommen werden. Vor allem weil keine neue Bezeichnung für die so total geänderten Beziehungen verwendet wurde. Die Rigidität der 50er-Jahre-Moral war auch eine Antwort auf diese Geschwisterinzestkonstruktion.
In Österreich. Da war das Geschwisterliche immer schon ein bisschen gelernt gewesen. Man war ja immer schon Objekt und ein bisschen Kind des Kaisers gewesen und die Filmfolklore schrieb nachdrücklich an diesem Kinderlgefühl weiter. Hitler hat in seinem abgrundtiefen Hass auf alles Österreichisch-Katholische diese imperiale Vaterbeziehung dann nachgestellt, sie aber inhaltlich total verändert und gleichzeitig alle Bezeichnungen unverändert gelassen.
Also. Worte der Kategorie der Verwandtschaftsnamen werden hergestellt und enthalten jene Bedeutungen, die ihnen kulturell zugeordnet werden. Aber. Es ist eine Art Stammeswissen, das die jeweilige Lesart erfordert. "Man" muss wie bei der Familie zu einem Kreis der Berechtigten gehören, um diese Bezeichnungen anwenden zu können. Und zu dürfen.
Wie bei der Familie geht es mehr um die, die diese Bezeichnungen anwenden, als die, die bezeichnet werden.
Stammesdenken
Die Familie formiert sich aus der umgebenden Masse von Personen zu Verwandtschaftsverhältnissen, die einen Bericht über Herkunft und Abhängigkeiten abgeben. Ähnlich geschieht dies bei der Gruppe der Geängstigten gegenüber den Angstmachern. Die ausgesonderten Angstmacher, die mit einem Wort beschrieben werden können, erlauben denen, die dieses eine Wort zur Bezeichnung verwenden, sich hinter diesem Wort zu denen zusammenzufinden, auf die dieses Wort nicht zutrifft. Alle gehören zusammen, die nicht unter diese eine Bezeichnung fallen.
Alle Ängste der sich alleinge lassen fühlenden Person der Vormoderne in der Postmoderne werden in diese Zusammengehörigkeit investiert. Es ist dann unbewusster oder offener Hass, der die mit so einem Quasiverwandtschaftsnamen wie Ausländer oder Islamist oder Jude belegten Personen unter diese Bezeichnung zusammentreibt. Aller vormoderne Hass, den "man" sich in den postmodernen Lebenszusammenhängen nicht leisten darf, wird da abgeladen. Und Angst genannt. Obwohl. Stammesdenken, das ja in einer solchen Strategie der Benennung Ausdruck findet und schon in den Rassenkunden der Nationalsozialisten wiederbelebt worden war. Ein solches Stammesdenken liegt noch weiter zurück als die Vormoderne.
Aber. Weil es sich um angst begründetes Stammesdenken, das aus Hass entstanden ist, handelt, kann mit diesen Bezeichnungen auch wiederum auf die Körper der so Bezeichneten zugegriffen werden. Und wenn auch derzeit das Zusammenpeitschen unter die Ein-Wort-Bezeichnungen noch auf der metaphorischen Ebene bleibt. – Die Pegida-Demonstrationen haben dieses metaphorische Einschlagen vorgeführt. – Die Reaktionen der österreichischen Politiker mit der Pädagogisierung der Migranten sind jedenfalls ein erster Schritt zur Meinungskon trolle und die Körperlichkeit einer Ausschaffung muss ja nicht besonders beschrieben werden.
Wir sind also durchaus schon dort, wo Stammesrecht ausgeübt wird und ein Patriarch oder Priester die körperliche Bestrafung über die Person verhängt. Das Urteil über die Person wurde ja in dieser Ein-Wort-Bezeichnung bereits verhängt. Patriarchen oder Priester treten bei uns im Anzug des Politikers auf und der kann so ziemlich jeder Partei angehören. Und. Wir haben eine Innenministerin, die genauso gut wie jeder andere funktioniert.
Was diese Form der Stammesvorstellungen aber mit sich bringt, ist eine neue Schwächung der Organisation der äußeren Welt. In der inneren Welt der Stammesgruppe, die sich von den Ein-Wort-Bezeichneten absetzt, wird die Ordnung der äußeren Welt verachtet. Ja. In einer neuerlichen Ein-Wort-Bezeichnung wird die Gruppe der Politiker oder "Die da oben" geformt und als minderwertig verstoßen.
Wenn die Politiker. Und wir bleiben weiterhin beim Archilexem. Frauen waren in dieser Debatte um die "Integration" nicht zu sehen und nicht zu hören. (Die Frauen schwiegen wohl wieder einmal brav in der Kirche.) Es war auch nie von Migrantinnen die Rede. Und. Es wird die Angelegenheit von diesem Außenminister und anderen Politikern offenkundig so gesehen, dass der Familienvater in der "Ausländerfamilie" dafür sorgen sollte, dass die jeweilige Familie im Sinne seiner Vorstellung von Zwangsassimilation funktioniert. Und die Kinder in die Schule schickt. Oder der Frau den Schleier abnimmt. Damit sagt er aber, dass er das Familienmodell des Code Napoléon vertritt, das in Österreich 1975 abgeschafft wurde und deshalb nicht dem geltenden Familienrecht entspricht. Wieder einmal zeigt sich, wie sehr die Politik in den Parteiideologien verheddert ist und sich nicht einmal der geltenden Gesetzeslagen bewusst ist, geschweige denn diese vertritt.
Das Hausvatermodell
Die "Integration" des "Ausländers" sollte also nur bis zum Hausvatermodell bis 1975 reichen. Reaktionärer kann es nicht zugehen. Aber die Strategie wird deutlich. Es geht nicht darum, Personen in die Demokratie einzubinden und die Erfüllung der geltenden Gesetze zu verlangen. Es geht darum, sich die Angstmacher zu erhalten. Eine solche Politik muss ja verhindern, dass die Angstmacher verschwinden. Eine solche Politik muss immer absurdere Forderungen aufstellen, damit der Unterschied nicht verlorengeht.
Wären alle "Ausländerinnen" und "Ausländer" angepasst und irgendwie wienerisch angezogen, es wäre weitaus schwieriger, zu einem rassistischen Genuss aus der Angst zu kommen. "Man" müsste dann wieder zu Mitteln wie dem Judenstern greifen, um sich positiv absetzen zu können. Aber auch in dieser Richtung machten die Pegida-Demonstrationen in Deutschland erste Schritte.
Eigentlich aber. Eigentlich wäre das jetzt genau der Zeitpunkt, eine positive Vorstellung von diesem Staat Österreich herzustellen. Jetzt wäre der Zeitpunkt, die bedingungslose Grundsicherung einzuführen und noch in halbwegs geord neten Umständen einen solchen neuen Zustand zu lernen. Ein tiefschürfender und objektiver Untersuchungsausschuss zur Hypo Alpe Adria könnte die Erzählung von den törichten Politikern und ihrem Versagen aus persönlicher Bedürftigkeit ans Licht bringen. Daraus könnten personelle Konsequenzen gezogen werden. Ganz andere Gruppen könnten – die Grundsicherung stellt ja auch dafür frei – in die Politik strömen. Die lagerstraßennostalgische Männerbündelei der Großparteien hätte ein Ende, weil diese Personenkonstruktion des in den Parteien sozialisierten Manns sich als obsolet erweisen würde. Und es könnte um einen demokratischen Staat gehen, der regiert werden sollte, und nicht um Partei- oder Wirtschaftsterritorien, die kunstvoll aneinandergereiht so tun, als wären sie ein Staat.
Unlängst wieder. Eine Übertragung aus dem Parlament. Es geniert sich ja keiner und keine, ihre Langeweile da auszustellen. Ihre Langweile aneinander und gegenüber der Außenwelt. Das macht den Eindruck, als wähnten sich diese Leute immer noch in einer kleinen Garnison im Banat und nichts geht die da an. Weder das ferne Wien noch die unmittelbare Umgebung. Als wären alle im Exil. So schaut das aus. Jedenfalls nimmt niemand da zur Kenntnis, dass dieser Staat sich in seiner schwersten Krise befindet. Dass man wieder einmal die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen für die törichten Fehler büßen lässt. Dass die Grundrechte längst durch Anlassgesetzgebung angegriffen sind und es nur eine Frage des weiteren Abstiegs ist, bis die Grundrechte aller eingeschränkt werden. Der Wunsch, die Kassa der kleinsten Gewerbetreibenden direkt an das Finanzministerium anschließen zu wollen. – Man hat Angst, dass da nicht alles verbucht wird. – Dieser Vorschlag zeigt schon die Enge und Überwachung, die uns zugemutet werden wird. Und sehr schön ist, dass die, die sich Patrioten nennen, jene Angst, die eine Flucht begründet, für sich und ihre manipulativen Absichten in Anspruch nehmen. Damit entziehen sie denen, die wirklich aus Angst in die Flucht getrieben wurden, die Argumentation und verkehren die Angst der Flüchtlinge in Aggression. Widerlich ist das.
Ich fürchte mich vor dieser Entwicklung. Und ich fürchte mich vor Politikern, die nicht in der Realität leben und handeln können.