Samstag, 7. Februar 2015

Syriza

Isolde Charim

Die Abwehr des Wahlerfolgs der griechischen Syriza folgte der Argumentation: Linksradikale und Rechtsradikale sind letztlich gleich. Die Extreme berühren einander nicht nur, sie gehen ineinander über. Die jubelnde Aufnahme des Syriza-Sieges folgte demselben Schema: Rechte und Linke, Marine Le Pen und Melenchon, Linkspartei und AfD, Ukip und Sinn Fein - sie alle äußerten sich begeistert über den griechischen Wahlausgang.
Und dann schließt Alexis Tsipras auch noch diese unsägliche Koalition mit den Rechtspopulisten von Anel - einem Bündnis, das die Links-Rechts-
Gleichung geradezu zu verkörpern scheint. Die "Zeit" attestiert die Bildung einer "Internationale des Dagegen".
Und zugleich müssen selbst Kritiker zugestehen: Das waren bittere Jahre für die Griechen - ein Wirtschaftseinbruch, den "andere Völker sonst nur in Kriegszeiten erleben", so Raimund Löw. Das Spardiktat war aber nicht nur hart, es fand auch keine Akzeptanz in der Bevölkerung. Denn die Austeritätspolitik bedeutete nicht nur Sparen, sondern auch den Rückzug auf reine Pragmatik, eine "Politik" des Sachzwangs. Aber eine "Politik" der alternativlosen Notwendigkeit ist keine Politik - selbst in Zeiten, wo die Sachzwänge erdrückend sein mögen. Politik muss zwischen Notwendigkeiten und Selbstbestimmungswünschen vermitteln können. Das kann das technokratische Vorgehen nicht. Deshalb konnte es keine Akzeptanz herstellen: Die Austeritätspolitik ist gescheitert. Sie wurde von den Griechen abgewählt.


Im Moment bedeutet die Wahl selbst bereits die erhoffte Alternative. Es wird sich aber erst zeigen, ob diesem Moment wirklich eine andere Politik folgen kann. Die Zeichen dafür stehen nicht gut. Die EU reagiert mit Abwehr. Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis werden wie Feinde behandelt. Denn ein Einvernehmen mit diesem neuen Griechenland würde bedeuten: Europa muss sich verändern. Deshalb hat man es auf deren Scheitern angelegt.
Ja, Syriza ist vielleicht nicht die Lichtgestalt, die sich die Linke erhofft hat. Weder die unappetitliche Koalition noch das Blinken Richtung Putin sprechen dafür. Aber es ist die derzeit einzige politische Kraft, die dem Austeritätskurs etwas entgegenzusetzen vermag. Selbst Kritiker räumen ein, dass die Maßnahmen, die sie dabei im Auge haben, durchaus sinnvoll sind: Kampf gegen Steuerflucht und Korruption, Mindestlöhne, Versicherungen, Stromversorgung. Dieser Maßnahmenkatalog zeigt nicht nur, wie grundlegend die Nöte der Griechen bereits sind. Er zeigt auch: Syriza will keinen sowjetischen Fünf-Jahres-Plan, sondern klassischen Keynesianismus. Ihr Ziel ist nicht die Diktatur des Proletariats, sondern ein soziales Griechenland. Sie fordern keine Revolution, sondern einen "Merkel-Plan" (nach dem Vorbild des Marshall Plans). Wenn das schon Radikalismus ist, dann muss man sagen: Das politische Spektrum ist radikal geworden - radikal eng, wenn dafür kein Platz mehr ist.
Den Strategen der Gleichsetzung aber sei gesagt: Links und rechts sind weder austauschbar, noch gehören sie zusammen. Es ist etwas anderes, gegen Austeritätspolitik zu sein als gegen Minderheiten. In ihrer Abwehrhaltung übersehen sie: Syriza ist nicht die Katastrophe. Aber sollte Syriza scheitern, dann droht wirklich eine Katastrophe.

Wiener Zeitung 07.02.2015

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